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Dissertationsprojekte

Folgende Dissertationsprojekte werden derzeit an unserem Institut bearbeitet bzw. sind an unserem Institut abgeschlossen worden. Wenn Sie auf den Titel des Projektes klicken, erhalten Sie jeweils detaillierte Informationen.
 

Laufende Dissertationsprojekte

 

Peter Bernardi:
Die Konstruktion transnationaler Erinnerung: Der Centenário da Imigração Japonesa no Brasil 2008

betreut von Prof. Dr. Shingo Shimada

Simon Essler:
Wertewandel in der japanischen Arbeitswelt? Eine Untersuchung am Fallbeispiel einer Kamaboko-Fabrik in der Präfektur Fukui
betreut von Prof. Dr. Shingo Shimada

Anna-Lena von Garnier:
„Die Inszenierung weiblicher Körper in der Literatur moderner japanischer Autorinnen – gelebte leibliche Erfahrung oder Projektionsfläche diskursiver Praxis?“ (Arbeitstitel)
betreut von Prof. Dr. Dr. h.c. Michiko Mae

Adam Jambor
Heimatorientierung – Die Funktion von Sozialkapital im Zuge der Arbeitsplatzsuche von Studierenden in der Präfektur Okinawa (Arbeitstitel)
betreut von Prof. Dr. Annette Schad-Seifert

Stephanie Klasen:

Identitätskonstrukte von Japankoreanern im japanischen Film zwischen Transkulturalität, Hybridität und Transdifferenz (Arbeitstitel)

betreut von Prof. Dr. Dr. h.c. Michiko Mae

Angelika Yuki Köhler: 

Unternehmenskommunikation – Public Relations Management: Strategien in Deutschland, Japan und den USA (Arbeitstitel)

betreut von Prof. Dr. Dr. h.c. Michiko Mae

Caroline Ruhl:
Die Konferenz Asiatischer Frauen: Transnationale Annäherungen an sexuelle Diskriminierung im Japan der 1970er Jahre (Arbeitstitel)
betreut von Prof. Dr. Andrea Germer

Marina Sammeck: 
Reise ins bekannte Fremde: Japanischer Farbholzschnitte (Ukiyo-e) und die sie vermittelnden Narrative in Ausstellungen im Westen von den Fünfziger Jahren bis in die Gegenwart (Arbeitstitel)
betreut von apl.-Prof. Dr. Christian Tagsold

Theresa Sieland:
Restrukturierungsprobleme der ländlichen Gebiete in der gegenwärtigen japanischen Gesellschaft (Arbeitstitel)
betreut von Prof. Dr. Shingo Shimada

Hisako Yoshizawa:

Das Umgangsrecht nach der Scheidung in Japan

betreut von Prof. Dr. Shingo Shimada

Yueh-Chen Yu:

Vorstellung des Tees und des Teetrinkens zwischen Tradition und Moderne in Taiwan unter japanischer Kolonialherrschaft (1895–1945) (Arbeitstitel)

betreut von Prof. Dr. Shingo Shimada

 

Abgeschlossene Dissertationsprojekte


Dr. Nils Dahl (2015):
Kodokushi. Lokale Netzwerke gegen Japans „einsame Tode“
betreut von Prof. Dr. Shingo Shimada

Dr. Julia Hillmann (2017):
Politische Konzepte von Familie und Geschlechterrollen in der Vereinbarkeitspolitik Japans 

betreut von Prof. Dr. Dr. h.c. Michiko Mae

Dr. Phoebe Stella Holdgrün (2011):
Gender equality policies in japanischen Präfekturen. Dezentrale Implementierungsstrategien zwischen Selbstverwaltungsinitiativen und Erfüllungsnotwendigkeiten
betreut von Prof. Dr. Dr. h.c. Michiko Mae

Katharina Hülsmann (2021):
Japanische dōjinshi des Marvel-Universums – Zwischen Konsum und Subversivität, zwischen transkulturellem Fandom und Peripherie (Arbeitstitel)
betreut von Prof. Dr. Dr. h.c. Michiko Mae

Dr. Nora Kottmann (2014):

Die Bedeutung der Heirat in Zeiten rückläufiger Eheschließungen – eine qualitative Studie zu Heiratsentscheidungen
betreut von Prof. Dr. Annette Schad-Seifert

Ludgera Lewerich (2020):
Vom Glück auf dem Land. Selbst-Erzählungen junger i-turner zwischen Selbstverwirklichung und Gemeinwohlorientierung
betreut von Prof. Dr. Shingo Shimada

Dr. Constanze Noack (2016): 

Konstruierte Männlichkeiten – Die Konstruktion und Reproduktion von Wissen um Männlichkeit am Beispiel sōshoku danshi
betreut von Prof. Dr. Annette Schad-Seifert

Dr. Stephanie Osawa (2016): 

Die "Uneindeutigkeit des Eindeutigen": Normabweichendes Handeln in den Selbstdeutungen devianter Jugendlicher in Japan
betreut von Prof. Dr. Annette Schad-Seifert

Konstantin Plett (2022):
Die Geschichte des japanischen Wirtschaftsstandortes Düsseldorf
betreut von Prof. Dr. Christian Tagsold

Dr. Julia Siep (2009):

Nationalisierte Mütterlichkeit als Phänomen der Moderne. Frauenzeitschriften in Japan, Deutschland und Italien der 1930er Jahre
betreut von Prof. Dr. Dr. h.c. Michiko Mae

Dr. Celia Spoden (2014):

Über den Tod verfügen. Individuelle Bedeutungen und gesellschaftliche Wirklichkeiten von Patientenverfügungen in Japan

betreut von Prof. Dr. Shingo Shimada

Dr. Jutta Teuwsen (2020):
Der Berg Fuji in der zeitgenössischen Kunst. Ein Diskurs der Bilder
betreut von Prof. Dr. Christian Tagsold

Dr. Timo Thelen (2018):
Wo ist die „Harmonie mit der Natur“? Die Repräsentation lokaler Gemeinschaften im japanischen Umweltdiskurs um satoyama satoumi 
betreut von Prof. Dr. Tagsold


Caroline Ruhl:
Die Konferenz Asiatischer Frauen: Transnationale Annäherungen an sexuelle Diskriminierung im Japan der 1970er Jahre (Arbeitstitel)

Zu Beginn der 1970er Jahre erfuhr der Diskurs um die gesellschaftliche Stellung der Frauen in Japan eine neue theoretische Weichenstellung, durch die transnational orientierte und organisierte Frauenbewegungen/-netzwerke entstanden. Maßgeblich beteiligt an diesem Prozess war die linke Aktivistin und feministische Theoretikerin Iijima Aiko (1932-2005), indem sie die Konzepte „Imperialismus“ und „sexuelle Diskriminierung“ miteinander verknüpfte. Aufbauend auf Iijimas kritischen Überlegungen gründeten sie und Matsuoka Yōko, die zum damaligen Zeitpunkt beide Mitglieder der Sozialistischen Partei Japans waren, im Jahr 1970 die „Konferenz Asiatischer Frauen im Kampf gegen Invasion=Diskriminierung“ (Shinryaku=Sabetsu to tatakau Ajia fujin kaigi; kurz: Konferenz Asiatischer Frauen). Die Konferenz Asiatischer Frauen bot einen Raum, kapitalismuskritische und anti-imperialistische politische Strategien mit dem Konzept der sexuellen Diskriminierung zu verbinden und zu diskutieren. Die Solidaritätsbekundung mit allen asiatischen Frauen, die von den diskriminierenden (Macht-)Strukturen des japanischen Nationalstaats betroffen sind, war dabei ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu den vorangegangenen national verorteten Frauenbewegungen. Die Konferenz Asiatischer Frauen beteiligte sich somit maßgeblich daran, den Kreis der Sprecherinnen und Adressatinnen des Frauenbefreiungsdiskurses in Japan in Bezug auf Ethnizität, Nationalität, Ableismus und Klasse zu öffnen.

Im Rahmen meines Dissertationsprojektes untersuche ich diesen kritischen Moment in der Geschichte der Frauenbewegungen in Japan, indem ich die Konferenz Asiatischer Frauen zu Beginn der 1970er Jahre ebenso wie die Aktivitäten der gleichnamigen Organisation in den darauffolgenden Jahren einer historischen Analyse unterziehe. Dabei gehe ich insbesondere den folgenden beiden Fragen nach: (1) Inwiefern ermöglichte das Konzept der „Asiatischen Frauen“ eine Kritik an und ein Neudenken der Rolle der Frauen in der damaligen japanischen Gesellschaft? (2) Wie wurden die transnational geprägten Machtdynamiken in Japan und Asien sowohl aus einer anti-imperialistischen als auch einer feministischen Perspektive beleuchtet und verhandelt?

In meiner Forschung stütze ich mich auf feministische Theorie sowie Neue Soziale Bewegungs- und Kulturtheorie, um die von der Konferenz Asiatischer Frauen diskutierten sozialen, kulturellen und geopolitischen Probleme ebenso wie die vorgebrachten Lösungsansätze zu untersuchen. 

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Peter Bernardi:
Die Konstruktion transnationaler Erinnerung: Der »Centenário da Imigração Japonesa no Brasil« 2008 (Arbeitstitel)

Im Zentrum der geplanten Dissertation steht die Konstruktion und Inszenierung von Erinnerung während des »Centenário da Imigração Japonesa no Brasil«, der Feier der einhundertjährigen japanischen Einwanderung nach Brasilien 2008 (im Folgenden Centenário). Das in beiden Ländern gefeierte Jubiläum wird dabei in einem transnationalen Rahmen betrachtet, in dem die unterschiedlichen Strategien der Erinnerung untersucht werden.

Einen theoretischen Rahmen bilden dabei die von u.a. Maurice Halbwachs sowie Jan und Aleida Assmann formulierte Theorie des kollektiven/kulturellen Gedächtnisses und der nationalen »Erinnerungsorte« (lieux de Memoire) nach Pierre Nora. Methodisch stützt sich das Dissertationsvorhaben auf Feldforschung mit qualitativen Interviews in Japan und Brasilien und der Untersuchung konkreter Erinnerungsorte.

In der Analyse des Centenário werden dabei erinnerungskonstituierende Elemente wie Gedenkstätten, Museen und Zeremonien sowie die japanisch- und portugiesischsprachige Erinnerungsliteratur beleuchtet. Als neuer Faktor  rückt die medial gestützte Vergangenheitsrepräsentation in den Vordergrund, die den Raum des Internets zur Archivierung von heterogenen Erinnerungen nutzt.

Der Centenário als Beispiel der Konstruktion und Inszenierung von Erinnerung verspricht für Japan und Brasilien spannende Ergebnisse, die Fragen der Transnationalität von Perspektiven, Erinnerungsdiskursen und die Rolle der neuen Medien in einen interdisziplinären Zusammenhang stellen.

 

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Simon Essler:
Wertewandel in der japanischen Arbeitswelt? Eine Untersuchung am Fallbeispiel einer Kamaboko-Fabrik in der Präfektur Fukui (Arbeitstitel)

In den 1980er Jahren sorgten die japanischen Arbeitszeiten vor dem Hintergrund des erstaunlichen wirtschaftlichen Aufstiegs immer wieder für internationale Kritik. Karōshi – der Tod durch Überarbeitung – steht seit dieser Zeit auch für das Stereotyp des japanischen „Firmenkriegers“ (kigyō senshi), der sich völlig für seine Firma aufopfert. Heute geht jedoch aus einer Vielzahl von Untersuchungen hervor, dass in Japan derzeit ein Wertewandel in Bezug auf Arbeitszeit und Freizeit stattfindet. So zeigt eine alle fünf Jahre von NHK durchgeführte Untersuchung zur Lebensweise und Zeitverwendung der Japaner, dass im Durchschnitt die Arbeitszeit im gleichen Maße abnimmt, wie die Freizeit zunimmt und kommt zu dem Ergebnis, dass die individuelle Gestaltbarkeit der Zeit zugenommen hat und dass eine „unumkehrbare“ Bewusstseinsveränderung hin zum Wunsch nach mehr Freizeit und deren Erfülltheit im Gang ist. Inwieweit muss also heute das Bild vom japanischen Workaholic und den langen Arbeitszeiten relativiert werden? Führt ein verändertes Freizeit-Bewusstsein dazu, dass sich „traditionelle“ Grauzonen zwischen Arbeitszeit und Freizeit, wie das halb informelle regelmäßige Trinkengehen mit den Arbeitskollegen, allmählich auflösen?
In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich, wie sich dieser statistisch belegbare Wertewandel konkret im inner- und außerbetrieblichen Kontext auf das Leben der Menschen auswirkt. Hierzu wurden im Rahmen einer intensiven Feldforschung mehrere teilnehmende Beobachtungen und Interviews in einem mittelständischen japanischen Betrieb durchgeführt. Neben der „objektiven“ Realität der tatsächlichen Arbeitszeiten und -bedingungen, geht es vor allem darum, wie die arbeitenden Individuen selbst diese interpretieren. Nur so kann der Frage, welche Faktoren und Probleme einem Wertewandel in der japanischen Peripherie möglicherweise im Weg stehen, sinnvoll nachgegangen werden. Die im Feld gemachten Beobachtungen werden vor dem Hintergrund von Theorien zu unterschiedlichen Zeitvorstellungen und zur Entwicklung postindustrieller Gesellschaften interpretiert, um die komplexen Prozesse, die mit dem Wertewandel einhergehen, besser verstehen zu können.

 

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Nils Dahl
Kodokushi. Lokale Netzwerke gegen Japans „einsame Tode“ (abgeschlossen)

Publikation der Dissertation

Mit dem Begriff kodokushi werden in Japan Todesfälle sozial isolierter Personen bezeichnet, welche erst nach mehreren Tagen oder Wochen entdeckt werden. Der Begriff hat sich seit den 1970er als feststehender Ausdruck etabliert und steht im Zentrum gegenwärtiger Diskussionen über den Niedergang traditioneller sozialer Beziehungen in Japan. Diese gesellschaftspolitische Debatte steht dabei in einer Wechselwirkung zur Problematisierung der „einsamen Tode“ auf der lokalen Ebene. Die während einer mehrmonatigen Feldforschung im Tokioter Großstadtbereich beobachteten Maßnahmen gegen die soziale Isolation alter Menschen werden daher in Verbindung zu der allgemeinen Debatte über das Auseinanderbrechen der japanischen Gesellschaft analysiert. Hierbei werden verschiedene Schlüsselkonzepte problematisiert und in den Kontext zu Theorien über die japanische Gesellschaft im Speziellen sowie die moderne Gesellschaft im Allgemeinen gesetzt.

 

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Anna-Lena von Garnier:
„Die Inszenierung weiblicher Körper in der Literatur moderner japanischer Autorinnen – gelebte leibliche Erfahrung oder Projektionsfläche diskursiver Praxis?“ (Arbeitstitel)

Das vorliegende Dissertationsvorhaben beschäftigt sich mit der Darstellung und Inszenierung weiblicher Körper in der modernen japanischen Literatur weiblicher Autorinnen.

Im Fokus stehen die drei Autorinnen Kôno Taeko (1926-2015), Kirino Natsuo (*1951) und Kanehara Hitomi (*1983), die sich in ihren Werken explizit mit Thematiken der weiblichen Körperlichkeit beschäftigen. Allen dreien ist gemeinsam, dass sie mit ihrer offenen Darstellung von Körperlichkeit gesellschaftliche Tabugrenzen besonders im Bereich der Sexualität und Gewalt überschreiten. Mit diesen Tabubrüchen soll das konventionelle Frauenbild der japanischen Gesellschaft in Frage gestellt werden. Dies manifestiert sich vor allem in der Ablehnung der Mutterrolle. Den weiblichen Körper nicht als Ort der Reproduktion, sondern des persönlichen, oft sexuellen Vergnügens zu erfahren, stellt eine direkte Herausforderung an die japanische Gesellschaft dar. Die Tabubrüche vollziehen sich auf zwei Ebenen: zum einen durch die sprachliche, häufig explizite Schilderung von Sexualität, Gewalt und Selbstzerstörung und zum anderen durch die Weigerung, die Rolle anzunehmen, die einer Frau von der Gesellschaft zugeschrieben wird. Daraus ergeben sich alternative Lebenskonzepte, die im Kontrast zur traditionellen Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter stehen. Die Analyse soll aufzeigen, wie der gesellschaftliche Tabubruch durch Körperlichkeit inszeniert wird.

Die Werke, die für diese Analyse ausgewählt wurden, inszenieren den Körper auf vielfältige Weise. In Kônos Knabenjagd (Japan 1962, Deutschland 1988) und Riskante Begierden (Japan 1990, Deutschland 1993) steht die weibliche Sexualität in der Ausprägung sadistischer Neigungen im Vordergrund. Kirino beleuchtet in Grotesk (Japan 2003, Deutschland 2010) die Beweggründe von Frauen verschiedenen Alters, als Prostituierte zu arbeiten. Kanehara schließlich beschäftigt sich in Amebic (Japan 2005) und Hydra (Japan 2007) mit der Thematik der Essstörung. Die Auswahl dieser Werke legt den Zeitraum, auf den sich die Untersuchungen beziehen, auf die Jahre 1962 bis 2007 fest.

Die Körperbilder und -thematiken, die in den Werken dieser drei Autorinnen vorkommen, werden in Bezug auf den Körperdiskurs zwischen Essentialismus und Sozialkonstruktivismus verortet. Dies bedeutet, dass der Körper phänomenologisch, das heißt als individueller Ort leiblicher Erfahrungen, wie auch als Objekt sozialer Diskurse dargestellt werden soll. Diese unterschiedlichen Positionen sollen im theoretischen Teil der Dissertation herausgearbeitet und anschließend auf die zu untersuchenden Werke angewandt werden. Dabei soll untersucht werden, ob und inwiefern sich Elemente finden können, die beide Positionen in sich vereinen oder gar völlig neue Lesarten des weiblichen Körpers ermöglichen.

 

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Julia Hillmann:
Politische Konzepte von Familie und Geschlechterrollen in der Vereinbarkeitspolitik Japans (Arbeitstitel)

Das Dissertationsprojekt untersucht Policies zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Work-Life Balance als Mittel der Bevölkerungs- und Gleichstellungspolitik in Japan. Mit dem Erreichen eines Rekord-Geburtentiefs Anfang der 1990er Jahre rückten die Probleme des Geburtenrückgangs und der Überalterung der Gesellschaft in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Daraufhin wurden eine Reihe von Maßnahmen entwickelt und eingesetzt, die auf dem Zusammenhang zwischen der Geburtenrate und der Erwerbstätigkeit von Frauen basieren (OECD 2000, 2007). Insbesondere unter dem Label Work-Life Balance werden vermehrt auch Männer in den Fokus der durch das 1999 verabschiedete Gleichstellungsgesetz gerahmten Vereinbarkeitspolitik genommen. Allerdings liegt den übergeordneten Gesetzen vielfach das alte Gesellschaftsbild und Modell des männlichen Familienernährers zugrunde, wodurch ein Widerspruch in der Politiklinie entsteht.

Ziel des Dissertationsprojekts ist es zu ermitteln, welche Bilder von Geschlechterrollen und Vorstellungen zu Familie in den betreffenden Policies konstruiert, und welche Stereotype aufgebrochen oder reproduziert werden. Wie der Aspekt der Bekämpfung des Geburtenrückgangs als zentrales Motiv der Maßnahmen gegenüber dem Ziel, mehr Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen thematisiert wird beziehungsweise inwieweit gleichstellungspolitische Konzepte für neoliberale Ziele nutzbar gemacht werden, wird ebenfalls zu untersuchen sein.

Mit Hilfe einer wissenssozilogischen Diskursanalyse werden diesbezügliche Leitbilder als Idealvorstellungen des politischen Diskurses herausgearbeitet. Als zu analysierendes Material werden unterschiedliche Regierungsdokumente und -publikationen der Jahre 1999/2000 und 2009 zu Grunde gelegt, die als Abbild der politischen Linie und als Träger verschmolzenen „Wissens“ angesehen werden können. Durch diese Vorgehensweise kann zum einen die Entwicklung der letzten zehn Jahre veranschaulicht und zum anderen gezeigt werden, auf welche Weise das Handeln von Menschen gelenkt wird.

 

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Dr. Phoebe Stella Holdgrün (2011):
Gender equality policies in japanischen Präfekturen. Dezentrale Implementierungsstrategien zwischen Selbstverwaltungsinitiativen und Erfüllungsnotwendigkeiten (abgeschlossen)

Publikation der Dissertation

Japan hat im Politikfeld Geschlechtergleichstellung – gender equality – seit der Unterzeichnung der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979) Maßnahmen mit beachtlichen Zielen beschlossen – insbesondere gilt dies für das Basic Law for a Gender-equal Society von 1999. Dennoch zeigt Japan im internationalen Vergleich auffallend niedrige Gleichstellungswerte, etwa mit Platz 105 von 136 Ländern im Global Gender Gap Report 2013. Diese Studie fragt nach den Gründen für die Diskrepanz zwischen Zielen und Politikergebnis von Programmen für gender equality in Japan. Vorannahmen sind, dass, erstens, der geringe Erfolg auf die Phase der Implementierung zurückzuführen ist, und zweitens, dass die Präfekturen, die im Zuge von Dezentralisierungsreformen in den 1990er Jahren formal einen Bedeutungszugewinn als eigenständige Vollzugsträger erfahren haben, dabei eine wichtige Rolle spielen. Exemplarisch vergleicht die Politikfeldanalyse Implementierungsprozesse des Basic Law for a Gender-equal Society in den Präfekturen Nagasaki und Shiga – Fallbeispiele, deren Implementierungsstrategien mit sehr unterschiedlichem Erfolg zu verlaufen scheinen. Drei Zielsetzungen leiten die Analyse: Neben einer Bestandsaufnahme der Umsetzung werden mögliche, auf Akteure und institutionellen Rahmen bezogene Gründe, die den Erfolg der Implementierung beeinträchtigen, sowie Faktoren für besonders hohen outcome, insbesondere durch progressive Selbstverwaltungsinitiativen, herausgearbeitet.

 

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Katharina Hülsmann:
Japanische dōjinshi des Marvel-Universums – Zwischen Konsum und Subversivität, zwischen transkulturellem Fandom und Peripherie (Arbeitstitel)

Das Dissertationsvorhaben beschäftigt sich mit dem Medium der japanischen dōjinshi, die sich auf das US-amerikanische Marvel Cinematic Universe (MCU) beziehen und interpretiert diese als kreative Widerspiegelung, aber auch potentiell kritische Reflexion von westlichen Unterhaltungsmedien durch japanische Fans. Im Fokus der Forschung stehen differenzierte Sichtweisen auf die Interaktion von Fans mit populären Texten, die sich innerhalb der Fan Studies seit den 1990er Jahren herausgebildet haben. Hierbei geht es um den Zwiespalt zwischen bloßem Konsum und subversiver Aneignung von Populärkultur, einerseits in Hinblick auf das Gender der Konsument/innen und auf die Darstellung von Gender als Differenzkategorie in den populären Texten. Andererseits werden transkulturelle, wie auch lokale und kulturspezifische Formen des BL-/Slash-Fandoms thematisiert. Viele wissenschaftliche Veröffentlichungen im Bereich der Fan Studies sehen in den Fankulturen um BL und Slash eine transkulturelle, globale Strömung, jedoch gibt es in der Ausformung dieser Fankulturen auch lokale Unterschiede, die eine wissenschaftliche Betrachtung umso interessanter machen.

In diesem Sinne untersucht das Dissertationsvorhaben insbesondere zwei Fragen in Bezug auf die japanischen dōjinshi-Autor/innen und ihre Werke:

  1. Wo positionieren japanische dōjinshi-Autor/innen sich selbst in der Sphäre des kreativen Schaffens in Bezug auf das Ursprungsmaterial des MCU?
  2. Wo positionieren japanische dōjinshi-Autor/innen sich selbst in der Sphäre eines global und transkulturell gedachten Fandoms? Sind lokale Strukturen eventuell wesentlich ausschlaggebender als transkulturelle Entwicklungen?

Das Dissertationsvorhaben begreift dōjinshi als ein Medium, das sich zwischen verschiedenen Polen verorten lässt, die sich durch den wissenschaftlichen Diskurs in den einzelnen Phasen der Fan Studies herausgebildet haben. Diese Pole lassen sich durch Gegensatzpaare wie „subversiv“ – „affirmativ“ und „transkulturell“ – „peripher“ umschreiben. Das Dissertationsvorhaben beabsichtigt, bei der Untersuchung von lokalen Unterschieden im Fandom über kulturalistische Erklärungsansätze hinauszugehen. Vielmehr werden ganzheitliche Erklärungsansätze angestrebt, die technische Gegebenheiten und lokale Gesetzgebung mit einbeziehen.

Bisherige Studien der Fan Studies lassen vermuten, dass das Ergebnis meiner Forschung viele Ambivalenzen zwischen diesen Polen aufzeigen wird. Besonders im subkulturellen Bereich der Fan Studies ist nach wie vor Fiskes Metapher des „Mahlstroms“ der Kultur geltend, der es dem Forschenden zwar schwer macht, eine einzelne These eindeutig zu bestätigen oder zu widerlegen, der aber andererseits den Blick auf Kultur als lebendig, komplex und facettenreich öffnet. Insofern sind die Polarisierungen im Arbeitstitel nicht als Frage „subversiv oder affirmativ?“, „transkulturell oder peripher?“ zu verstehen, sondern als umfassende Fragestellung nach subversiven, affirmativen, transkulturellen und kulturspezifischen Facetten in japanischen dōjinshi und der Kultur, die sie umgibt.

 

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Adam Jambor:
Heimatorientierung – Die Funktion von Sozialkapital im Zuge der Arbeitsplatzsuche von Studierenden in der Präfektur Okinawa (Arbeitstitel)


Die kritische sozioökonomische und demographische Situation der Regionen in Japan ist in jüngster Zeit in den Fokus der japanischen und internationalen Forschung gerückt. Insbesondere die Abwanderung junger Menschen in die Metropolregionen verstärkt die demographischen und ökonomischen Probleme der ländlichen Regionen. Die Ansicht, dass Mobilität von wirtschaftlich schwachen in wirtschaftlich starke Regionen stattfindet, ist zwar in klassischen Migrationsmodellen der Wirtschaftswissenschaften weit verbreitet, kann jedoch nicht pauschalisiert werden. Viel mehr haben sich die Faktoren Arbeitsplatzverfügbarkeit und Lohnniveau, die Wirtschaftswissenschaftler für eine ausbalancierte regionale Verteilung von Arbeitskräften ausmachen, von der tatsächlich stattfindenden Abwanderung abgekoppelt. Bestes Beispiel für diese Entwicklung ist die Präfektur Okinawa. Okinawa ist zwar die ökonomisch schwächste Region Japans, zugleich besteht jedoch ein positiver Wanderungssaldo. Das zeigt: Nicht ein wirtschaftliches Gefälle zwischen regionalen Arbeitsmärkten steuert die Verteilung von Arbeitskräften, sondern Okinawas Jugend verlässt ihre Heimat trotz besserer wirtschaftlicher Perspektiven außerhalb nicht. Meiner Ansicht nach kann diese Heimatorientierung mit einer zunehmenden Bedeutung von Sozialkapital (Familie, Freunde) für junge Menschen erklärt werden und wäre damit weniger ökonomisch als soziokulturell begründbar. Die Beschreibung und Erklärung des Sozialkapitals könnte zeigen welche Mechanismen dazu führen, dass junge Menschen in Okinawa bleiben und damit die Forschung zur Mobilität junger Japaner bereichern.

 

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Stephanie Klasen:
Identitätskonstrukte von Japankoreanern im japanischen Film zwischen Transkulturalität, Hybridität und Transdifferenz (Arbeitstitel)

Seit den 90er Jahren ist eine neue Entwicklung im Bezug auf japanische Filme zu erkennen, die die Thematik der koreanischen Minderheit in Japan aufgreifen. Zu Einen hat die Anzahl der filmischen Werke, die sich konkret mit der Thematik der koreanischen Minderheit in Japan beschäftigen, deutlich zugenommen. Allein im Jahr 2004 kamen gleich drei erfolgreiche Filme mit japankoreanischen Protagonisten in die japanischen Kinos: Chi to hone (Yôichi Sai) Pacchigi – We Shall Overcome Someday (Izutsu Kazuyuki) und die koreanisch-japanische Koproduktion Rikidôzan (Song Hae-seong). Zum Anderen werden diese Filme überaus positiv rezipiert und erfahren Zuspruch von Kritikern und Publikum. Der Film GO (2001, Yukisada Isao) nach einem gleichnamigen Roman des Japankoreaners Kaneshiro Kazuki gewann 24 nationale und 2 internationale Preise, darunter den Japanese Academy Award für den besten Hauptdarsteller, die beste Regie und das beste Drehbuch sowie Auszeichnungen der renommierten Zeitschrift Kinema Junpo.

Daher möchte ich in meinem Promotionsvorhaben der Frage nachgehen, ob sich auch inhaltlich Änderungen der Repräsentation japankoreanischer Figuren abzeichnen. Ich verorte diese Problemstellung im Postkolonialismusdiskurs und werde zur Analyse daher auf die in diesem Kontext entstandenen Identitätskonzepte der Hybridität, der Transdifferenz sowie der Transkulturalität zurückgreifen. Ziel ist es zu analysieren, wie kulturelle Identität anhand der japankoreanischen Figuren konstruiert wird. Werden Kategorien wie Japaner/Koreaner/zainichi als Konstrukt erkannt und demontiert? Wird die Binarität der Gegenüberstellung Japaner/zainichi reproduziert oder dekonstruiert? Werden vielleicht sogar alternative kulturelle Identitätsmodelle entworfen? Daneben stellt sich auch die Frage, ob es Unterschiede in den Identitätsdarstellungen zwischen Selbstrepräsentationen und Fremdrepräsentationen von Japankoreanern gibt?

 

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Angelika Yuki Köhler:
Unternehmenskommunikation – Public Relations Management: Strategien in Deutschland, Japan und den USA (Arbeitstitel)

„Wenn ein junger Mann ein Mädchen kennenlernt und ihr sagt, was für ein großartiger Kerl er ist, so ist das Reklame [...]. Wenn er ihr sagt, wie reizend sie aussieht, dann ist das Werbung. Aber wenn sich das Mädchen für ihn entscheidet, weil sie von anderen gehört hat, was für ein feiner Kerl er ist, dann ist das Public Relations.“

Public Relations (PR) ist im Wesentlichen das Management von Kommunikation. PR im Bereich Unternehmenskommunikation beschäftigt sich daher schwerpunktmäßig mit dem Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen einem Unternehmen und dessen relevanter Öffentlichkeit.

Japan, Deutschland und die USA stehen an der Spitze der Weltwirtschaft und haben im Zuge der Globalisierung viele multinational agierende Unternehmen hervorgebracht. Viele dieser Unternehmen verfügen neben ihrem Stammsitz auch über Hauptsitze in den beiden anderen Ländern. Dieser Umstand schafft enge, unternehmerische Verflechtungen zwischen diesen Ländern und somit eine breite Materialbasis anhand derer Kommunikationskonzepte in allen drei Ländern untersucht werden können.

Die allgemeine Forschung im Bereich globale PR-Arbeit hat in den letzten Jahren viele Leitfragen hervorgebracht, deren Beantwortung noch ausstehen und zu deren Aufklärung diese Arbeit einen wichtigen Beitrag leisten soll. Interessant bei der Beantwortung einiger dieser Fragen wird es sein zu sehen, welchen Einfluss Faktoren wie Religion, Kultur, Geschichte, Tradition, ebenso wie soziale Aspekte und popkulturelle Phänomene auf die Berufsethik und –praxis in den verschiedenen Ländern haben und inwiefern das zu Problemen oder Vorteilen bei multinationaler PR-Arbeit führen kann.

Während die PR-Forschung in Deutschland und den USA bereits über eine breite theoretische Basis verfügt, so ist das Arbeitsfeld und dementsprechend auch der Forschungszweig PR in Japan noch sehr jung. Diese Arbeit soll daher auch einen Beitrag zum Ausbau der PR-Theorie in Japan leisten.

Des weiteren soll vor dem Hintergrund, dass es im Zuge der immer schneller voranschreitenden Globalisierung mehr und mehr multinational agierende Konzerne gibt und dass Kommunikationsprozesse stark sozio-kulturell geprägt sind, ein Beitrag zu der Diskussion über die Tauglichkeit von PR-Praktiken auf globaler Ebene geleistet werden.

 

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Dr. Nora Kottmann:
Die Bedeutung der Heirat in Zeiten rückläufiger Eheschließungen – eine qualitative Studie zu Heiratsentscheidungen junger Menschen in Japan (abgeschlossen)

Publikation der Dissertation

Die zwei Hauptziele der vorliegenden Studie sind es, die Komplexität individueller Heiratsentscheidungen aufzuzeigen beziehungsweise Faktoren zu identifizieren, die individuelle Heiratsentscheidungen beeinflussen sowie die subjektive Bedeutung der (Nicht-)Heirat für junge Erwachsene und deren Lebensentwürfe herauszuarbeiten. Heiratsentscheidungen werden hierbei als biographische Entscheidungsprozesse verstanden, die neben aktiven Entscheidungshandlungen auch Nicht-Handeln oder Abwarten umfassen und zu einer Heirat oder einer Nicht-Heirat (Ehelosigkeit) führen können. Den Kontext der Studie stellt der gegenwärtige Wandel des Heiratsverhaltens in Japan dar: Obwohl statistisch gesehen die meisten jungen Japanerinnen und Japaner heiraten wollen, steigt das Erstheiratsalter, und immer mehr Menschen bleiben (dauerhaft) ledig.

Die bisherigen Forschungsarbeiten zur Heirat im Japan der Gegenwart, die sich zumeist mit dem Wandel des Heiratsverhaltens seit den 1990er Jahren und dessen Ursachen beschäftigen, zeichnen sich durch eine Konzentration auf die weibliche Perspektive, eine Orientierung an familienökonomischen Theorien, eine mehrheitlich quantitative Methodik sowie eine Fokussierung auf die Kategorien ‚ledig‘ und ‚verheiratet‘ aus. Die vorliegende Studie, die auf biographischen Einzelinterviews mit jungen Erwachsenen im Großraum Tokio basiert, unterscheidet sich hiervon durch eine subjektorientierte, geschlechterübergreifende und prozessuale Perspektive. Diese Herangehensweise ermöglicht es, sinnstiftende Strukturen sowie deren Paradoxien, Ambiguitäten und Ambivalenzen offenzulegen und einen Einblick in die Komplexität individueller Heiratsentscheidungen im biographischen Verlauf zu erhalten. Hierbei haben sich insbesondere strategische, romantisch-emotionale, pragmatische, individuelle, geschlechtsspezifische und normative Faktoren sowie deren gegenseitigen Wechselbeziehungen als bedeutend für Heiratsentscheidungen herausgestellt. Des Weiteren wird die Verwobenheit der Heiratsentscheidungen mit einer Vielzahl von weiteren Lebensbereichen aufgezeigt. Als essentiell werden die Themenbereiche ‚Familien- und Arbeitswelten‘ sowie allem voran die bisher von der (Heirats-)Forschung im japanischen Kontext nicht berücksichtigten ‚romantischen und solidarischen Beziehungswelten‘ ermittelt.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird deutlich, wie eng die Frage der (Nicht-)Heirat im Japan der Gegenwart weiterhin mit den Vorstellungen von einem ‚normalen Leben‘ im Sinne der geschlechtsspezifischen Normallebensläufe der wirtschaftlichen Hochwachstumsphase der Nachkriegszeit zusammenhängt. Es zeigt sich, dass die Befragten anhand ihrer Heiratsentscheidungen die Frage der gesellschaftlichen ‚Normalität‘ (neu) verhandeln. Die Studie legt dar, dass diese Neuverhandlungen des ‚Normalen‘ zahlreiche Herstellungs-, Anpassungs- und Aushandlungsprozesse umfassen; die für Heiratsentscheidungen zentrale Prozesse können dabei in Anlehnung an Jurczyk et al. (1) als doing family, darüber hinaus aber auch als doing partnership und doing solidarity benannt werden.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Heirat auch gegenwärtig einen unmissverständlichen Orientierungspunkt bei der Lebensplanung darstellt: Einige der Befragten streben eine Heirat explizit an; andere wiederum lehnen eine Heirat dezidiert ab und formulieren einen individuellen Lebensentwurf in Relation und in Abgrenzung zu einer Heirat. Zwischen diesen idealtypischen Zusammenfassungen wird darüber hinaus die Heirat als Möglichkeitswahrung identifiziert. Auch in diesem Fall stellt die Heirat einen Orientierungspunkt dar, wenn auch (möglicherweise) weniger konkret: Als Folge der Möglichkeitswahrung kann es sowohl zu einer Heirat als auch zu einer Nicht-Heirat (Ehelosigkeit) kommen. Zusammenfassend bietet die vorliegende Studie einen detaillierten Einblick in die Lebenswelten von elf jungen Erwachsenen im Japan der Gegenwart, die als Vertreter einer ‚Generation im Schwebezustand‘ bezeichnet werden können.

(1) Vgl. Jurczyk/Schier 2007; Jurczyk et al. 2009.

 

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Ludgera Lewerich
Vom Glück auf dem Land. Selbst-Erzählungen junger i-turner zwischen Selbstverwirklichung und Gemeinwohlorientierung (abgeschlossen)

Seit einigen Jahren wird der Umzug junger Menschen aus den Großstädten in die von Überalterung und Strukturschwäche betroffenen ländlichen Regionen Japans als Lösung dieser Probleme beworben. Dabei wird vor allem mit dem Versprechen individueller Selbstverwirklichung geworben, die auf dem Land möglich sei. In dieser Dissertation wird einerseits der öffentliche Diskurs anhand eines Datenkorpus aufgearbeitet und andererseits mittels qualitativer Interviews untersucht, wie junge Menschen sich zu den diskursiven Anrufungen positionieren. Damit geht die Arbeit im Anschluss an die empirische Subjektivierungsforschung davon aus, dass in Diskursen Subjektpositionen formiert werden, die von den adressierten Subjekten in ihren Selbst-Erzählungen aufgegriffen und kreativ-eigensinnig verarbeitet werden. Ziel dieser Arbeit ist es herauszufinden, wie diese Selbst-Positionierungen in den Interviews erfolgen. Für die Realisierung wurde ein Datenkorpus aus von staatlichen und medialen Akteuren herausgegebenem Material zusammengestellt und während eines Feldforschungsaufenthaltes von April bis November 2016 in drei verschiedenen Orten qualitative Interviews erhoben.

Auf der Ebene der Diskursanalyse konnte so gezeigt werden, dass auf eine sich seit den 1990ern verstärkende „Nachfrage“ der Individuen nach mehr Autonomie und Selbstverwirklichung reagiert wird, indem das ländliche Japan als Ort beworben wird, an dem dies möglich sei. Dabei bedient sich der Diskurs verschiedener etablierter Deutungsmuster wie die des ländlichen Japans als furusato, als idyllische national Heimatsphäre. Über verschiedene normative Vorgaben werden die Adressierten dazu angehalten, reflektiert und informiert ihren Umzug aufs Land zu planen. Es werden ihnen dabei verschiedene Materialen zur Selbstführung an die Hand gegeben, die vermitteln, dass ein Erfolg oder ein Scheitern allein in der Verantwortung des Individuums liege. Mittels diskursiv etablierter Subjektpositionen werden die Adressierten zudem dazu angehalten, ihre Selbstverwirklichung in den Dienst des Gemeinwohles zu stellen und ihre Potentiale für die Revitalisierung ländlicher Regionen zu nutzen. Die Analyse der Selbst-Erzählungen zeigte dabei, dass der Umzug in die Regionen von allen als Erfolgsgeschichte erzählt wurde. Sie wurden ähnlich der diskursiven storylineals Projekte der Selbstverwirklichung in Arbeit oder Lebensweise erzählt. Die meisten positionierten sich dabei kritisch zu Standardlebensläufen und entwarfen demgegenüber das ländliche Japan als Raum persönlicher Entfaltungsmöglichkeiten. Es zeigte sich, dass einige der Interviewten den Diskurs vor ihrem Umzug aktiv rezipiert hatten, was mit zu ihrer Entscheidung zum Umzug beitrug, während andere sich kritisch zum medialen Diskurs positionierten. So konnten Wechselwirkungen zwischen den diskursiven Subjektpositionen und den tatsächlichen Subjektivierungsweisen aufgedeckt werden.

Die Arbeit leistet damit einen Beitrag zum wachsenden Feld der empirischen Subjektivierungsforschung. Sie positioniert zudem den Diskurs Stadt-Land-Migration als Effekt eines zunehmend aktivierend agierenden Sozialstaats, der Bedürfnisse von Individuen nutzt, um in den Bereich des Staates fallende Aufgaben wie die Revitalisierung ländlicher Regionen zunehmend zu indiviualisieren.


Constanze Noack:
Konstruierte Männlichkeiten – Die Konstruktion und Reproduktion von Wissen um Männlichkeit am Beispiel sōshoku danshi (Arbeitstitel)

Die Konstruktion von gesellschaftlichem Wissen ist Gegenstand der Wissenssoziologie. Wissen um Geschlecht und somit auch Männlichkeit ist demnach wissenssoziologisch betrachtet ebenfalls ein gesellschaftliches Konstrukt. Dieses gesellschaftliche Wissen um Männlichkeit wird innerhalb von Medien konstruiert und reproduziert. Dabei sollte zwischen einem akademisch-wissenschaftlichem und einem alltagsweltlichen Wissen unterschieden werden, wobei letzteres hauptsächlich als durch Medien vermittelt gilt. In Anlehnung an diese Prämissen liegt die Zielsetzung dieses Dissertationsvorhabens einerseits darin einen Beitrag zur Verbindung von Wissenssoziologie und Geschlechterforschung zu leisten und andererseits darin aufzuzeigen welches Wissen um Männlichkeiten in den gegenwärtigen japanischen Medien hergestellt wird.

Seit der Verleihung des „Vogue-Word-Award“ 2009 erfreut sich der Begriff sōshoku danshi (Pflanzenfresser-Mann, d.h. ein Mann, der weder romantische noch sexuelle Interessen an Frauen hegt) in der japanischen Medienlandschaft enormer Verbreitung. Der ursprünglich durch die Kolumnistin Fukasawa Maki geprägte Begriff fungiert dabei als stellvertretendes Schlagwort für die Beschäftigung und wiederbelebte Diskussion um Männer und Männlichkeiten in Japan. Aus diesem Grund bietet er den idealen Bezugs- wie auch Ansatzpunkt, um zu untersuchen wie Wissen über Männlichkeit gegenwärtig in Japans Medien diskursiv konstruiert und reproduziert wird.

Mithilfe der wissenssoziologischen Diskursanalyse nach Rainer Keller, sollen ausgewählte Printmedien von 2007 bis heute ausgewertet werden. Durch die Aufarbeitung der Diskurse sowie der kommunikativen Wertung als auch Gegenüberstellung mit einer oftmals implizit oder explizit erwähnten diametralen Männlichkeitsform, kann anhand des Begriffes sōshoku danshi die Frage nach den konstruierten Wissensbeständen um Männlichkeiten innerhalb der Alltagswissen reproduzierenden Medien eingehend bearbeitet werden. Dabei wird nicht nur das Wissen um sōshoku danshi aufgezeigt, sondern es kann ein Einblick in weitere gegenwärtig vorhandene gesellschaftliche Wissensbestände um Männlichkeiten gewonnen werden. Hinsichtlich der sich wandelnden japanischen Gesellschaft sind ferner die diskursiven Kontexte in denen Männlichkeiten als signifikanter Moment hervortritt von besonderem Interesse.

 

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Dr. Stephanie Osawa:
Die "Uneindeutigkeit des Eindeutigen": Normabweichendes Handeln in den Selbstdeutungen devianter Jugendlicher in Japan (abgeschlossen)

Publikation der Dissertation

Japanische Jugendliche sind konkreten Verhaltenserwartungen ausgesetzt, die in hohem Maße formalisiert und unter anderem in schulischen Regelkatalogen festgeschrieben sind. Sie regulieren dabei sowohl das schulische Leben als auch das Verhalten und die Lebensgestaltung im privaten Bereich. Die Bandbreite und Exaktheit solcher Verhaltenserwartungen sowie die Genauigkeit, mit der sie kontrolliert und eingefordert werden, vermitteln einen rigiden und die individuelle Handlungsfreiheit stark einschränkenden Eindruck. Die Vorstellungen von Normativität und Konformität für den Kontext Jugend sind damit sehr eng, wodurch die Grenzen zur Devianz leicht überschritten sind. Insbesondere vor dem Hintergrund weit reichender Prozesse gesellschaftlicher Diversifizierung, der damit verbundenen Ausweitung normativer Orientierungsmuster und der medialen Propagierung vielfältiger und unendlicher Handlungsfreiheiten muss dabei die Frage gestellt werden, wie Jugendliche mit den von der „Erwachsenenwelt“ formulierten Erwartungen umgehen.

Ziel meines Dissertationsprojektes ist es, diese Thematik aus der Perspektive von Jugendlichen zu untersuchen und nach der subjektiven Handlungsinterpretation devianter Jugendlicher zu fragen. Anhand von Fallbeispielen wird nachvollzogen, wie deviante Jugendliche ihre eigenen Handlungen wahrnehmen, wie sie diese in einen (lebensgeschichtlichen) Kontext einbetten und in ihrer (aktuellen) Lebenssituation verorten. Dabei wird vor allem eine Rekonstruktion von Erklärungs- und Interpretationsmustern innerhalb der Selbstwahrnehmung devianter Jugendlicher angestrebt und herausgearbeitet, was dies für das Handeln der Jugendlichen bedeutet.

Theoretisch findet das Dissertationsprojekt unter anderem im interpretativen Paradigma sowie in der Handlungstheorie seine Untermauerung. Methodisch ist es qualitativ angelegt und wird über leitfadengestützte Interviews mit devianten Jugendlichen sowie über teilnehmende Beobachtung realisiert. Angesiedelt ist die Studie an einer Mittelschule im Großraum Tokyo. In insgesamt zwei jeweils dreiwöchigen Forschungsaufenthalten wurden Interviews mit devianten Mädchen und Jungen im Alter von 15 Jahren durchgeführt.

 

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Marina Sammelt
Reise ins bekannte Fremde: Japanische Holzschnitte und das über sie verbreitete Bild in Ausstellungen im Westen. Eine Erkundung vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. (Arbeitstitel)

Japanische Holzschnitte („ukiyo-e“) zählen heute zu den berühmtesten Kunstformen Ostasiens. Künstler wie Hokusai und Hiroshige gelten als Attraktionen, die man gesehen haben muss – ähnlich wie Michelangelo oder Rembrandt. Die Frage, wie die farbenprächtigen Drucke aus der Edo-Zeit diesen prominenten Status überhaupt erhalten haben, wurde hingegen noch kaum gestellt. Als Ursprung für den Weltruhm der Holzschnitte, die in Japan ein günstiges Sammelobjekt waren, wird pauschal auf die Zeit des Japonismus Ende des 19. Jahrhunderts verwiesen. Dabei ist die Geschichte der Rezeption hier noch längst nicht zu Ende. Denn die Drucke wurden in den letzten sechzig bis siebzig Jahren regelmäßig ausgestellt – eine Zeitphase, die von Kunstwissenschaft und Museumssektor gleichermaßen ausgeblendet wird. 

In meiner Dissertation vollende ich dieses noch unerforschte Kapitel und verfolge die Erfolgsstory der Drucke, durch die sie zu einer der populärsten japanischen Kunstformen im Westen aufsteigen konnten. Neben der Herauszeichnung der Begebenheiten, innehrhalb derer sich jene Charakteristika formierten, welche die Ukiyo-e heute als Kunstform ausmachen, betrachte ich in meiner Dissertation eine übergeordnete Frage: Wie lässt sich der Prozess beschreiben, in dem bestimmte Objekte zu „Kunst“ werden?

Angelegt als interdisziplinäre Erkundung, die sich methodisch an der Diskursanalyse orientiert, eröffnet mein Buch damit spannende Perspektiven in zweierlei Hinsicht. Zum einen zeichne ich ein retrospektives Porträt der Ausstellungen japanischer Holzschnitte von den Anfängen ihrer Rezeption Ende des 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Indem ich die zentralen Narrative extrahiere, über welche die Holzschnitte dem westlichen Publikum kommuniziert wurden und die in die Vermittlung involvierten Akteure benenne, skizziere ich zum anderem ein umfassendes Bild jener Faktoren, die am Vorgang der Einfassung von Objekten in den Bereich der „Kunst“ beteiligt sind.

Mein Buch hinterfragt somit die verbreitete Auffassung, wonach Ausstellungen als ephemere Ereignisse keine Spuren hinterlassen. Unter Berufung auf die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) von Bruno Latour demonstriere ich hingegen, wie sich Ausstellungen als dynamische Verbünde von Agenten begreifen lassen, die sich über die Zeit immer weiter verknüpfen und sich in ständiger Transformation befinden.  

In der Museumswelt werden heute in Folge des postkolonial turns dichotome und exotisierende Wahrnehmungsmuster intensiv diskutiert. Am Beispiel von Ukiyo-e-Ausstellungen gebe ich Sammlungsleiter*innen und Kurator*innen Anregungen mit, wie sich Ausstellungspraxen vor dem Hintergrund dieser komplexen Problemstellungen neu denken lassen. Adressiert an ein breites Spektrum wissenschaftlicher Disziplinen in Theorie und Praxis bringt meine Dissertation damit Licht in ein größtenteils noch unerschlossenes Forschungsfeld – die Identifizierung der Dynamiken, die das populäre Bild einer Kunstform entstehen lassen.

 


Theresa Sieland:
Restrukturierungsprobleme der ländlichen Gebiete in der gegenwärtigen japanischen Gesellschaft (Arbeitstitel)

Mit der Erschließung neuer, »kreativer« und »kulturell« geprägter Arbeits- und Lebensräume wird derzeit vielerorts versucht, lokale Ortsteile und ländliche Regionen in ihrem Image aufzuwerten und zu revitalisieren. Landesweite, mitunter auf Initiative der Anwohner hin entwickelte Stadt- (machizukuri) und Regionalentwicklungsprojekte (chiikizukuri) mit distinktivem Lokal-, Kunst- und Kulturbezug stoßen auch in Japan in den letzten Jahren auf viel Beachtung und Zuspruch. Ziel des Dissertationsprojektes ist es, die verschiedenen Ansätze regionaler Revitalisierungsmaßnahmen durch Kunst und Kultur sowie deren konkrete Umsetzung und innere Logik zu untersuchen. Durch eine kritische Betrachtung des ländlichen, touristischen »Raumes« soll aufgezeigt werden, auf welche Weise chiikizukuri-Projekte ländliche Regionen in Japan gezielt als »authentische Räume« inszenieren und die Akteure selbst durch »kreative« Projekte zu revitalisieren versuchen. Als methodische Grundlage dient u. a. das Konzept des so genannten »Creative Tourism«, bei dem die Entdeckung und Erfahrung der lokalen Alltagskultur ins Zentrum des Interesses rückt. Durch die Stimulierung lokaler »Kreativität« soll bei chiikizukuri-Planungen in Japan nicht nur die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit ländlicher Gebiete gesteigert, sondern auch ein Beitrag dazu geleistet werden, Regionen und ihre Anwohner für die Zukunft entwicklungsfähig und flexibel zu halten. Als Fallbeispiel dient u. a. die Echigo Tsumari Art Triennale, die seit 2000 in der Präfektur Niigata veranstaltet wird und sich v. a. den Austausch zwischen Land- und Stadtbevölkerung zum Ziel setzt.

 

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Dr. Julia Siep:
Nationalisierte Mütterlichkeit als Phänomen der Moderne. Frauenzeitschriften in Japan, Deutschland und Italien der 1930er Jahre (abgeschlossen)

Publikation der Dissertation

Im Zuge der weltweit stattfindenden Modernisierungs- und Nationalisierungsprozesse des 19. Jahrhunderts entstanden neue Identifikationsangebote in den sich zunehmend ausdifferenzierenden Gesellschaften. Vor allem die drei Kategorien Nation, Kultur und Gender ersetzten bis dahin gültige vormoderne Orientierungsmuster. Um nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen in die moderne Nation zu integrieren, galt die Mutterrolle als Weiblichkeitsideal: Die Frauen konnten so durch die Erfüllung ihrer reproduktiven Funktion der Nation dienen, ohne die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die Zuordnung der Geschlechter in die streng definierten Bereiche der Öffentlichkeit (Männer) und Privatheit (Frauen) zu gefährden. Darüber hinaus kann die Mutterrolle durch die ihr zugeschriebenen nationalisierten und kulturalisierten Funktionen im Spannungsfeld von Nation, Kultur und Gender positioniert werden. Somit besteht eine Annahme der Arbeit darin, dass Konstruktionen von Mütterlichkeit konstitutiv für die Bildung und Umsetzung von Nationen und nationalistischen Ideologien sind. Gerade in  extrem nationalistischen Regimes (wie z.B. der 1930er und 1940er Jahre) wird die Verbindung mit den drei oben genannten Kategorien intensiviert und dadurch besonders deutlich.

Die Dissertation beschäftigt sich aus kulturwissenschaftlicher Perspektive mit der Frage nach der Funktionalisierung von Mütterlichkeit zur Verwirklichung nationalistischer Ziele in drei exemplarisch ausgewählten Ländern, nämlich Japan, Deutschland und Italien in den 1930er Jahren. Als Beitrag zur Forschung, die insbesondere die Kategorien Nation und Gender fokussiert, analysierte die vorliegende Arbeit, welche Argumentationsstrategien und Konstruktionsmechanismen in drei exemplarisch ausgewählten Frauenzeitschriften existierten, die es ermöglichten, Mütterlichkeit im Kontext extrem nationalistischer Regimes als nationale und kulturelle Besonderheit zu legitimieren. Bei den untersuchten Zeitschriften handelt es sich um Katei (Japan), die N.S. Frauen-Warte (Deutschland) und Il Giornale della Donna (Italien).

Im Vergleich stellte sich heraus, dass Mütterlichkeit in allen drei Ländern auf diskursiver Ebene stark auf die eigene Nation bezogen wurde und dadurch eine nationalisierte Mütterlichkeit konstruiert wurde. Gleichzeitig wurde jedoch deutlich, dass die diskursiven Strukturen, die diese Verbindung zwischen Mütterlichkeit und der eigenen Nation herstellen, dennoch überall sehr ähnlich sind. Dabei spielten drei Themenfelder eine besondere Rolle: "Wesen und Charakter der Frau/Mutter", "Familie" und "Nation". Innerhalb dieser Themenfelder ließen sich spezifische Argumentationsstrategien, wie z.B. die diskursive Gleichsetzung von Mütterlichkeit und Nation, herausarbeiten. Außerdem konnte anhand der Diskursanalyse aufgezeigt werden, dass nur bestimmte Diskursstränge der jeweiligen nationalistischen Ideologie Eingang in die ausgewählten Frauenmagazine gefunden haben, angepasst an die spezifischen Bedingungen des Mediums Frauenzeitschrift. Dabei war es wichtig, dass diese Diskursstränge mit den "weiblichen" Lebenswelten in Verbindung gebracht werden konnten.

Auf diese Weise konnte eine Strukturierung von Mütterlichkeitskonzepten aufgezeigt werden, die aufgrund der kulturvergleichenden Perspektive eine länderübergreifende Explizierung der Thematik innerhalb der Genderforschung erlaubt. Die Arbeit trägt insgesamt dazu bei, Konstruktionsmechanismen bestimmter Genderstrukturen und deren Verbindung mit den Kategorien Nation/Nationalismus und Kultur in der Vorkriegszeit herauszuarbeiten, die auch prägend für die Jahre nach 1945 waren und deren Auswirkungen noch bis heute zu spüren sind.

 

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Dr. Celia Spoden:
Über den Tod verfügen. Individuelle Bedeutungen und gesellschaftliche Wirklichkeiten von Patientenverfügungen in Japan (abgeschlossen)

Publikation der Dissertation

Wie werden Entscheidungen für eine Patientenverfügung in der Alltagswirklichkeit getroffen? Welche Bedeutungen schreiben die Verfasser ihren Patientenverfügungen zu? Und wie passt die Entscheidung für eine Patientenverfügungen zu bisherigen Entscheidungsfindungen der betreffenden Person? Diese Fragen bildeten die Ausgangslage meines Dissertationsprojekts.
Im Sommer 2009 habe ich während eines zweimonatigen (durch die Alexander von Humboldt Stiftung finanzierten) Forschungsaufenthalts narrative Interviews mit Personen geführt, die Patientenverfügungen verfasst haben, über eine Patientenverfügung nachdenken oder auch Patientenverfügungen ablehnen, obwohl sie aufgrund einer schweren chronischen Krankheit (ALS) sich ständig mit dem eigenen Lebensende und medizinischen Behandlungen am Lebensende auseinandersetzen.
Die Interviews wurden in Anlehnung an das Verfahren der Grounded Theory kodiert. Im Mittelpunkt der Studie steht die Schlüsselkategorie »Problembewusstsein« bezüglich lebenserhaltender Maßnahmen. Die Interviewten sprechen entweder von einem konkreten Problembewusstsein, dass sich bei ihnen aufgrund persönlicher Erfahrungen im Umgang mit Kranken und Sterbenden im Krankenhaus einstellte und sie dazu veranlasste, über ihre eigenen Wünsche zu reflektieren und eine Patientenverfügung abzuschließen. Oder sie sprechen von einem eher generellen Problembewusstsein aufgrund ihres Alters, gesundheitlichen Zustandes oder ihrer sozialen Situation und sehen die Patientenverfügung als notwendige Vorkehrung, die jeder irgendwann treffen sollte, um die eigenen Angelegenheiten für das Lebensende zu regeln. Aufgrund ihrer Problematisierungen zum Umgang mit Sterbenden im Krankenhaus und dem Einsatz von lebenserhaltenden Maßnahmen nehmen sie einen Handlungsbedarf wahr. Die Patientenverfügung erscheint in diesem Zusammenhang als Lösung für eine als problematisch empfundene Situation und stellt wieder Sicherheit her.
In Bezug auf die abstrakteren Konzepte »Lebenszeit« und »Selbstbilder« betten die Interviewten die Entscheidung für eine Patientenverfügung in ihre Biografie ein und stellen einen kontinuierlichen und kohärenten Zusammenhang zu ihrer bisherigen Lebensweise her. Hierbei sind vor allem die Sinngebungen der eigenen Lebenszeit hinsichtlich sozialer Rollen und damit verbundener Aufgaben und Verantwortung von Bedeutung. Die Ablehnung von lebenserhaltenden medizinischen Maßnahmen steht in Zusammenhang mit einer als »sinnlos« bewerteten Verlängerung der Lebenszeit. Entscheidend sind auch die Vorstellungen von Selbstständigkeit und Abhängigkeit, die in Bezug auf eine verantwortliche Lebensführung geäußert werden. Inwieweit die Abhängigkeit von medizinischen Apparaten oder Pflege akzeptiert werden, hängt damit zusammen, inwiefern Abhängigkeiten mit dem eigenen Selbstbild vereinbart werden können, welche »Belastungen« des sozialen Umfelds als zumutbar empfunden werden und welche sozialen Auffangmöglichkeiten zur Verfügung stehen. 
Die in der Alltagswirklichkeit vorgenommenen Bedeutungszuschreibungen sind weniger als Ausdruck einer medizinischen Entscheidungsfindung zu verstehen. Vielmehr stellen Patientenverfügungen eine Gelegenheit zur Verarbeitung von Erfahrungen und zur Selbstreflexion dar und ermöglichen Entscheidungen im Vorhinein zu treffen, um dem eigenen Selbstbild entsprechend zu sterben. Sie werden als Möglichkeit aufgefasst, Vorkehrungen für das soziale Umfeld zu treffen. Je nach sozialem Kontext, der bei der Bedeutungszuschreibung bedacht wird, wird die Patientenverfügung als Stellvertreter gedeutet, soll die Angehörigen in schwierigen Entscheidungssituationen entlasten oder Konflikte am Sterbebett vermeiden und vor Fremdbestimmung schützen.

 

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Jutta Teuwsen:
Der Berg Fuji in der zeitgenössischen Kunst: Ein Diskurs der Bilder

Der Berg Fuji spielt in Japan seit über tausend Jahren eine bedeutende kulturelle Rolle, die sich auch in den visuellen Reproduktionen des sagenumwobenen Berges wiederspiegelt. Während der Berg im japanischen Altertum zuvorderst durch seine vulkanische Aktivität die Ehrfurcht der Japaner gewann, so wurde der Fuji im japanischen Mittelalter vor allem durch religiöse Sekten vereinnahmt. Als eine Folge gewann der Berg in Darstellungen zu religiösen Zwecken immer mehr Präsenz. Spätestens aber seit der japanischen Vormoderne, die sich in der westlichen Hemisphäre insbesondere durch die japanischen Holzschnitte Ausdruck verschaffte, ist der sagenumwobene Berg ein weitverbreitetes Motiv in künstlerischen Erzeugnissen.

Die Darstellungen des Fuji finden in den 36 Ansichten des Berges von Hokusai aus den 1830er Jahren sicherlich einen Höhepunkt. Gleichzeitig erlangte die Bedeutung des Berges für die bildenden Künste durch dieses Epos fast schon den Status eines eigenen Genres, durfte er beispielsweise an den Wänden der japanischen Badeanstalten fortan nicht mehr fehlen. Als nationales Symbol voller Stärke und Anmut, gleichzeitig als Quell der Ruhe und Besinnlichkeit wurde er vielfach reproduziert und erneuert. Bis in die Nachkriegszeit hinein hielten die Darstellungen des Fuji an dieser Wirkung fest und dominierten das Genre Fuji maßgeblich.

Heute zeigt sich ein verändertes Bild. Gerade mit der Wende zum neuen Jahrtausend und noch mehr seit der verheerenden Katastrophe im März 2011 finden wir Illustrationen des Berges, die ihn nicht mehr in erster Linie stark und ehrwürdig zeigen. Stattdessen sehen wir einen verletzlichen Fuji, der gefährdet erscheint und gleichzeitig Bedrohung aufbaut. Wir sehen auch den Fuji, so wie wir ihn aus den Bildern vergangener Tage kennen, eingebunden in eine Darstellung voller Symbole der japanischen Moderne, etwaig wohl unter- und ge-brochen von beispielsweise einem durch das Bild rasenden Hochgeschwindigkeitszug. Zudem sehen wir das einstmals hochachtungsvoll verehrte Symbol durch zeitgenössische Andeutungen vereinnahmt und sogar als Karikatur seiner selbst, wie z.B. die dargestellte Beule in der Unterhose durch einen erigierten Penis, dessen Silhouette an den Umriss des Berges am Horizont erinnert.

Die Frage, die diese Dissertation beantworten soll, lautet also: Wie wird der Berg Fuji in der zeitgenössischen Kunst präsentiert? Zur Beantwortung dieser Frage soll die noch neue interdisziplinäre Methode der Bilddiskursanalyse herangezogen werden. Bisher mangelt es an der Anwendung der Methode in umfassenden Untersuchungen, so dass indessen auch eine Erprobung und Bewertung der Methode stattfindet. In dieser Arbeit soll keiner der noch jungen und in der Entwicklung befindlichen verschiedenen Ansätze dogmatisch verfolgt werden, sondern ein für das Vorhaben passender Ansatz verwendet werden, der Ideen mehrerer federführender AutorInnen beinhaltet.

Neben der Erprobung des beschriebenen Methodenkomplexes besteht das Hauptziel der Arbeit darin, einer Veränderung in der lange Zeit beständigen Auffassung des nationalen Symbols nachzuspüren.

 

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Timo Thelen:
Wo ist die „Harmonie mit der Natur“? Die Repräsentation lokaler Gemeinschaften im japanischen Umweltdiskurs um satoyama satoumi (Arbeitstitel)

Mein Dissertationsprojekt hinterfragt die Rolle von lokalen Akteuren im Rahmen von global ausgerichteten Umweltprojekten an einem aktuellen Beispiel aus Japan. Obwohl diese Nation lange Zeit für Fälle von Umweltverschmutzung wie Minamata oder Fukushima und deren gravierende Folgen bekannt war, etabliert sie sich in der neueren Vergangenheit immer mehr als traditionell „grün“. Dabei kommt dem interdisziplinäre Umweltkonzept satoyama satoumi (wörtlich „Dorf und Wald/Meer“) eine wichtige Bedeutung zu. Es verbindet die in der westlichen Philosophie als gegensätzlich angesehenen Sphären Natur und Gesellschaft und beruft sich dabei auf ein in Vergessenheit geratenes Verhältnis der Japaner zu ihrer Umwelt. Dieses müsse heute wiederentdeckt werden und könne mit moderner Technik vereint als Vorbild für ein besseres Umweltmanagement weltweit verwendet werden.

Satoyama satoumi fand insbesondere durch die Öffentlichkeitsarbeit der japanischen Regierung und der United Nations University national wie international viel Beachtung. 2011 wurde das satoyama satoumi der Noto-Halbinsel (Präfektur Ishikawa) als erste Region in Japan (gleichzeitig auch als erste Region in einem „Industrieland“) zum Globally Important Agricultural Heritage Systems (GIAHS) Pilotprojekt erklärt. Dieses Fallbeispiel untersuche ich in meiner Dissertation aus einer ethnologischen Perspektive, um die Frage zu beantworten, wie die Repräsentationen aus dem globalen Diskurs mit den lokalen Gemeinschaften als Basis des Umweltkonzeptes in Verbindung stehen. Als methodischen Hintergrund bediene ich mich dabei der Wissenschaftssoziologie mit Augenmerk auf die Vermittlungsaktivitäten zwischen verschiedenen Akteuren und auf die Produktion von Wissen. Für die Datenerhebung wurden zwei Feldforschungsaufenthalte an der Universität Kanazawa absolviert (10/2014-09/2015 DAAD-Stipendium; 10/2016-03/2017: JSPS-Stipendium).

 

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Hisako Yoshizawa:
Das Umgangsrecht nach der Scheidung in Japan

In Japan wird weder im Familienrecht noch anderweitig das Umgangsrecht nach der Scheidung rechtlich geregelt. Aus diesem Grund regeln etwa 40% der Geschiedenen mit minderjährigen Kindern das Umgangsrecht des Ehepartners ohne Sorgerecht selbstständig und ohne Einmischung des Staates. Das heißt andererseits, dass in ca. 60% der Fälle keine Vereinbarung zwischen den geschiedenen Eltern von minderjährigen Kindern getroffen wird, bzw. sie nicht durchgeführt wird.

Wie regeln Eltern, die sich scheiden lassen, das Umgangsrecht untereinander und welche Mechanismen gibt es im Entscheidungsprozess, die als "lebendes Recht" (ungeschriebenes Recht) funktionieren? Welche Hindernisse oder Mechanismen treten in Entscheidungsprozessen in den Fällen auf, in denen die Eltern nicht zu einer gemeinsamen Vereinbarung finden?

Ausgehend von gesellschaftlichen Normen beschäftige ich mich in meinem Dissertationsprojekt mit dem ungeschriebenen "lebenden Recht" und analysiere anhand von Interviews, welche Faktoren statt einer geschriebenen Regelung im Entscheidungsprozess wirken. Durch Interviewanalyse soll der Prozess der Vereinbarung herausgearbeitet werden und nach dem Verfahren der Grounded Theory eine Theorie zur Besuchsrechtregelung in Japan entwickelt werden.

 

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Yueh-Chen Yu:
Vorstellung des Tees und des Teetrinkens zwischen Tradition und Moderne in Taiwan unter japanischer Kolonialherrschaft (1895–1945)  (Arbeitstitel)

In meinem Dissertationsprojekt beschäftige ich mich mit der historischen Entwicklung der Vorstellung des Tees und des Teetrinkens in Taiwan (Formosa) unter japanischer Kolonialherrschaft (1895–1945). Das Dissertationsprojekt liegt im Diskussionsrahmen der wissenschaftlichten Erkenntnisse über Tee und denen des internationalen Teemarkts im 19. und 20. Jahrhundert.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird der Tee weltweit nach derzeitigen „naturwissenschaftlichen“ Kategorien gekennzeichnet. Der Tee als Nutzpflanze wurde wissenschaftlich untersucht, neuen Kategorien zugeordnet und messbar im Labor geprüft. Diese Verwissenschaftlichung des Tees begleitete die Modernisierung und die Kolonialisierung der Teeindustrie. Nachdem Japan infolge des Vertrags von Shimonoseki 1895 Taiwan als Kolonie bekam, förderte die Kolonialherrschaft offiziell die Teeherstellung auf dieser Insel. Für die Kolonialherrschaft war der Tee eine wichtige Einkommensquelle im Außenhandel.

Die Gestaltung der Vorstellung des Tees bzw. des Teetrinkens unter japanischer Kolonialherrschaft steht unter drei Einflussquellen: 1. Traditionelle chinesische Wissenschaft sowie Essgewohnheiten; 2. wissenschaftliche Kenntnisse und Essgewohnheit aus dem japanischen Kolonialherrscher; 3. westliche wissenschaftliche Kenntnisse und Essgewohnheiten, die durch die Kolonialherrschaft vermittelt bzw. eingeführt wurden. Die von der Kolonialherrschaft  erarbeiteten wissenschaftlichen Teekenntnisse wurden durch Propaganda der Kolonialpolitik, durch alle Arten von Ausstellungen sowie durch Schulbücher verbreitet. Daneben wurden neue Teekenntnisse zu dieser Zeit auch durch Zeitungsartikeln und Zeitungsanzeigen verbreitet.

Diese Einflussquellen führten zu einer komplizierten Konstellation, in der nicht nur unterschiedliche kulturelle Identitäten mit Anspruch auf Ursprünglichkeit gegeneinander auftritten, sondern auch Traditionalismus und Modernität wechselseitig wirkten. Es ist also ein interessantes Thema der Kulturgeschichte, nachzuvollziehen, wie die damalige Einwohner auf Taiwan ihre Vorstellung bzw. Trinkgewohnheit des Tees dementsprechend einstellten.

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