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Heisenberg-Projekte

Auf dieser Seite finden Sie eine kurze Vorstellung der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Heisenberg-Teilprojekte von Apl. Prof. Dr. Christian Tagsold.

Das japanische Diasporanetzwerk in Europa nach dem Brexit

Die Diasporaforschung hat seit den 1990er Jahren verstärkt eingesetzt. Auch japanische Diasporastandorte, wie v.a. in Südamerika, haben Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Japanische Standorte in Europa sind seitdem ebenfall häufig untersucht worden – selbst wenn sich die Frage stellt, ob die klassischen Definitionsmerkmale für Diaspora, wie sie z.B. William Safran aufgestellt hat, überhaupt erfüllt sind. Japanerinnen und Japaner haben sich in europäischen Großstädten lange Zeit vor allem temporär niedergeallsen. Der klassische Fall ist die Entsendung von Angestellten, den sogenannten salaryman, nach London, zur Vertretung japanischer Finanzinstitute, oder nach Düsseldorf zu japanischen Unternehmensniederlassungen. Diese Angestellten kamen meist gemeinsam mit ihren Familien und kehrten nach drei bis fünf Jahren wieder heim.

In der Erforschung japanischer Diasporastandorte in Europa gibt es jedoch zwei prinzipielle theoretische Problempunkte, die Ausgangspunkte des Projektes sind. Bislang sind diese Standorte vorwiegend als Einzelfälle und in ihrer Beziehung zum Zentrum Japan  hin analysiert worden. Das Projekt setzt hier an, indem es aufzeigt, wie die japanische Diasporastandorte in Europa als interagierendes, dynamisches Netzwerk aufgefasst werden können. Ausgangspunkt ist der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Der bevorstehende Brexit tangiert die japanische Diaspora in London unmittelbar, da dort viele japanische Mitarbeiter von Finanzinstituten mit ihren Familien wohnen. Die japanischen Finanzinstitute haben jedoch erkennen lassen, dass sie neue Standorte suchen, die ihnen weiter den Zugang zum europäischen Binnenmarkt ermöglichen. Verschiedene große Finanzplätze auf dem Festland wie Amsterdam und Frankfurt a.M. haben daher versucht, die japanischen Finanzinstitute zu überzeugen, sich bei ihnen anzusiedeln. 

Das Ziel des Projekts ist dabei nicht, die rein ökonomischen Auswirkungen des Brexits zu analysieren. Vielmehr geht es darum, das europäische Netzwerk zusammenhängend zu kartieren und die flexiblen Strategien und Lebensentwürfe von Japanerinnen und Japanern auszuloten, die unmittelbar oder mittelbar vom Brexit betroffen sind.

 

Der Denkmalschutz der klassischen Moderne in Japan

Bis 1945 diente Denkmalschutz in Japan stark der Legitimation des Staatsshintō und der Tennō-Ideologie. Einbezogen wurden dabei koloniale Gebiete wie Korea, deren kulturelles Erbe mit dem kernjapanischen verbunden werden sollte, um so die japanische Herrschaft zu rechtfertigen. Nach 1945 schützte der Denkmalschutz dagegen vor allem Bauten und Relikte, die ein einheitliches historisches Narrativ der japanischen Inselnation stützten. Dieses Narrativ war im Sinne der nihonjinron, also den überaus populären kulturalistischen Diskurse zur Japanizitität seit den 1960er Jahren, vor allem darauf ausgerichtet, Japan als homogen und abgeschlossen darzustellen. Bauten und Relikte mit einem westlich-modernen Anklang blieben außen vor. 

Der Denkmalschutz der Moderne setzte international in den 1970er und 80er Jahren ein. In Japan entdeckte man die Moderne etwas später als schutzwürdig. Federführend waren in diesem Bereich zunächst Architekturhistoriker, die seit den 1980er Jahren den Wert der entsprechender Gebäude betonten. Als Auswirkung der bubble economy, der überhitzten Wirtschaft dieser Zeit, wurden Bauten der städtischen Moderne in Großstädten zusehends durch neue Investitionsprojekte verdrängt. Das für Denkmalschutz zuständige Amt für kulturelle Angelegenheiten (Bunkachō) nahm sich seit den 1990er Jahren der Probleme an, initiierte neue Gesetzgebungen, stellte zahlreiche Gebäude, Industriebauten etc. unter Schutz und legte ein Register an, das seit 2014 in bislang fünf Bänden erschienen ist.

Für Bauten und Relikte der Meiji-, Taishō oder Shōwa-Zeit stellt sich allerdings die Frage, ob der Denkmalschutz aufzeigt, dass sich Japan verwestlicht hat, oder ob die Moderne als japanisches Phänomen begriffen werden soll. Handelt es sich beim Denkmalschutz der Moderne also um einen Paradigmenwechsel in der Kulturpolitik, der die stilistische und funktionale transnationale Verflechtung Japans anerkennt? Oder geht es um eine Verlängerung und Verlagerung der kulturalistischen Narrative, die nun Objekte einbeziehen, die als modern, aber trotzdem originär japanisch gesehen werden? 

 

Die Idee der besonderen Naturverbundenheit der Japaner in kulturalistischen Diskursen der Meiji- und Taishō-Zeit

Japanern wird im Kontext der nihonjinron, den weit verbreiteten kulturalistschen Diskursen zu den vermeintlichen Besonderheiten Japans, zumeist eine besonders innige Beziehung zur Natur unterstellt. Die Genese dieses Arguments, seine spezielle Ausformung, mögliche innere Widersprüche und schließlich Entwicklungen sind dagegen nur partiell aufgearbeitet worden oder lassen sich allenfalls aus der Untersuchung spezieller Fälle ableiten. Das ist insofern problematisch, weil selbst gegenwärtige japanische und internationale Umweltdiskurse immer wieder auf die japanische Naturnähe als Argument zurückgreifen, ohne die Hintergründe zu reflektieren oder auch nur zu kennen. 

Dabei wird die besondere Naturnähe Japans schon lange als spezifisches Argument im nationalen Diskurs vertreten. Diese Naturnähe soll vor allem ein Gegengewicht zur Modernisierung nach westlichem Vorbild bilden, ohne letztere prinzipiell zu negieren. Während dem Westen unterstellt wird, sich von der Natur abgewandt zu haben, wird Japan zugutegehalten, in den Prozess der Modernisierung eingetreten zu sein, ohne die besondere Beziehung zur Natur aufgegeben zu haben. 

Das Projekt untersucht diesen Diskurs im Zeitraum zwischen ungefähr 1880 und den ausgehenden 1920er Jahren und wird so herausarbeiten, wie diese vermeintliche Naturnähe der Japaner begründet und instrumentalisiert wurde. Gleichzeitig kann es zeigen, wie Japan als nichtwestliches Land einen eigenen Weg in der Begründung der Nation gehen musste und konnte. Die Untersuchung beginnt mit der eingehenden Auseinandersetzung japanischer Intellektueller mit westlichen intellektuellen Einflüssen und wird noch vor der Phase des Ultranationalismus in den 1930er Jahren enden, um deutlich zu machen, dass das Naturargument hier schon im Wesentlichen ausgeformt war und anschließend nur noch verstärkt wurde. 

Verantwortlichkeit: